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«Discours de 
la méthode»

Braucht es heute noch Plakate?

Eine Reflexion von Dr. Werner Schaeppi und Claudia Gratz | 05/2024

Es gibt eine nie dagewesene Vielfalt von Kommunikationsmitteln und -kanälen. Vor allem elektronische Medien wie Blogs, Online-Banner oder Social Media haben in den letzten Jahren einen markanten Zuwachs an Nutzern erfahren. Wir folgen unseren Feeds, lassen uns von den relevanten Links weiterführen und verpassen nichts. Oder doch? Wir verpassen alles, was ausserhalb unserer Bubble, unseres Horizonts liegt, uns aber dennoch betrifft: die Welt als Ganzes. Ohne verschiedene Perspektiven in Betracht zu ziehen, gelingt aber keine gut informierte Entscheidung. Auf welcher Grundlage stimmen wir dann ab? Und wie entdecken wir Neues?

Wir haben gelernt, mit der zunehmenden Flut von Informationen, Botschaften und Appellen umzugehen, indem wir unsere Fähigkeit zur selektiven Wahrnehmung verfeinert haben und ausblenden, was uns nicht interessiert. Algorithmen verstärken die Selektion. Was also dringt zu den vermeintlich Nichtinteressierten durch? Das Plakat. Es hängt im öffentlichen Raum, in dem wir – besonders als Autofahrer – gezwungen sind, unsere Umgebung zu beachten, und umgeht dadurch unsere Selektionsstrategien. Werbewirkung beruht im Kern auf einem Prinzip der klassischen Wahrnehmungspsychologie: Um zu entscheiden, ob eine Information persönlich relevant ist, muss jeder visuelle Reiz kurz analysiert werden. Dies geschieht in der peripheren Wahrnehmung, durch die uns eine Information quasi «im Wegsehen» erreicht. Darin liegt für die Kommunikation die Chance, eine Botschaft zu vermitteln. Die Chance kann aber nur genutzt werden, wenn der Inhalt eines Plakats zielgruppenscharf gestaltet ist. So werden Streuverluste weitgehend vermieden und die Kaskade von Aufmerksamkeit, Interesse, Wunsch und Handlung entfaltet sich quasi auf den zweiten Blick. Einem guten Plakat gelingt es, einen spannungsvollen Dialog zwischen Bild und Text zu inszenieren, der vom kommunikationsstrategisch definierten Betrachter in einem Zusammenspiel von Ratio und Unterbewusstsein entschlüsselt wird. Abhängig von den Kommunikationszielen erfüllt das Plakat im Kommunikationsmix eine bestimmte Aufgabe. So kann es zum Beispiel auf eine Website mit weiterführenden Informationen oder einen Online-Shop verweisen oder auch für sich allein stehen und zum Beispiel einen Imagenutzen erzielen. Da Plakate den öffentlichen Raum bespielen, haben sie immer auch eine ästhetische Dimension. Sie spiegeln und prägen den Zeitgeist. Seit Pariser Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec oder Alfons Mucha Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Event-Plakate gestalteten, wurde damit eine eigene Gattung – die Plakatkunst – begründet. Und Plakate haben eine politische Dimension. Hängen verschiedene Plakate im öffentlichen Raum, resultiert allein daraus ein demokratierelevanter Nebeneffekt: Indem unterschiedliche Zielgruppen und Interessen repräsentiert sind, wird der Pluralismus gestärkt.

(Der Text ist ein Auszug aus einer neuen Publikation, die im nächsten Jahr erscheinen soll.)

Beispiel Wahlplakat (Abstimmung von 2020): wenn die Botschaft der Appell ist

Beispiel Kulturplakat: wenn die Botschaft im Stil liegt

1 Discours

    Paul

    « … Die Chance kann aber nur genutzt werden, wenn der Inhalt eines Plakats zielgruppenscharf gestaltet ist.»

    Hier wäre anzumerken, dass Plakate nicht nur Zielgruppen adressieren, sondern diese auch immer (mit)generieren. Wären Plakate primär «zielgruppenscharf» ausgestaltet, würden sie ihrer Funktion der Illusionierung nicht genügend nachkommen können. Der eigentliche «Support», das konnotative Semantisieren des «Objekts», kann so ausgelegt werden, dass eine entfernte Adressatenschaft angesprochen und als eigentliche «Zielgruppe» verfestigt wird.

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